„Vertrauen aufzubauen, ist die Basis unserer Arbeit"

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Mann-männliche Prostitution ist ein Tabuthema. Das macht es genauso schwierig wie notwendig, Hilfe zu leisten. Roman Sylejmani ist für das Projekt „Aufwind“ verantwortlich und schildert die Lebenssituation der Menschen, derer wir uns annehmen.

Männliche Prosituierte leben isoliert in der Anonymität. Wie kommt man mit ihnen in Kontakt, um helfen zu können?


Vertrauen ist im Bereich der mann-männlichen Prostitution das A und O. Menschen, denen kulturell bedingt Aufklärung und Prävention nie nahe gebracht wurden, möchten kaum über die-se Themen sprechen. Schon gar nicht möchten sie sich zu homosexuellen Akti-vitäten bekennen. Regelmäßige Präsenz und stetige Verfügbarkeit sind ausschlaggebend, um Vertrauen zu den Klienten aufzubauen.


Wie geraten Menschen in die Prostitution?


Es gibt nicht den einen Weg in die Prostitution. Die meisten gehen den Schritt aus beruflicher Perspektivlosigkeit, oft besteht kein Anspruch auf Sozialhilfe, häufig wird versucht, die eigene Familie durch selbst verdientes Geld finanziell zu unterstützen, manche werden durch Freier in die Prostitution „gelockt“.

Das Problem ist, dass sich die Menschen der Gefahren nicht bewusst sind. Es ist erschreckend zu sehen, wie wenig Aufklärung noch heute in bestimmten Ländern passiert. Des Öfteren habe ich die Rückfrage erhalten, was HIV denn überhaupt sei. Aber das sind lediglich die physischen Gesundheitsgefahren.

Die Menschen fragen mich teilweise, was HIV denn überhaupt sei.

Welche Probleme entstehen darüber hinaus?


Aufgrund der Tabuisierung gehen die Menschen ihrer Arbeit fast immer in Geheimhaltung vor Familie und Freunden nach. Ihre Lebensrealität stimmt mit ihrem Selbstbild nicht überein, sie haben oft psychische Probleme. Um hier positiv auf das Selbstbild der Menschen einwirken zu können, müssen wir eine sehr persönliche Beziehung aufbauen.


Welche Rolle spielen Drogen für unsere Klienten?


Drogen werden gebraucht, um sich enthemmen zu können. Unseren Klienten dient z. B. Alkohol häufig, um sich auf die Arbeit einlassen zu können. Zudem werden Drogen konsumiert, um vor der bedrückenden Lebenssituation zu flüchten oder auch traumatische Erfahrungen vergessen zu können. Diese Faktoren führen nicht selten zu Abhängigkeiten.

Drogen werden gebraucht, um Traumata zu vergessen

Bei dem Wunsch nach Abstinenz bekommen die Menschen unsere Beratung und Unterstützung.


Was bedeutet Corona für unsere Klienten und für unsere Arbeit?


Den Menschen ist durch die Schließung der Szenebars die zuverlässigste Möglichkeit genommen, Kontakte zu knüpfen. Sie leben nun in einer noch größeren finanziellen Not. Um unsere Beziehungsarbeit aufrecht zu erhalten, sind wir auf szenespezifischen Online-Plattformen präsent und bieten Online-Beratungen an, welche aber natürlich nicht mit Face-to-Face Beratungen vergleichbar sind. Mit Wiederöffnung der Kneipen und Bars werden wir auch die aufsuchende Arbeit wiederaufnehmen.


Gibt es eine „Erfolgsgeschichte“, an die Du Dich besonders gern erinnerst?


Ich denke da an eine Person, die wie viele andere in den Bereich der mann-männlichen Prostitution „hineingerutscht“ ist und nach geraumer Zeit sowohl psychisch als auch durch den Gebrauch illegaler Substanzen stark beeinträchtigt gewesen ist. Wir sahen uns zwei Mal in der Woche, verbrachten viel Zeit miteinander, redeten und reflektierten viel.
Eines Tages hat er sich von jetzt auf gleich nicht mehr gemeldet und kam auch nicht mehr vorbei. Bis ich ihn vier Monate nach der letzten Begegnung wieder traf und er mir erklärt hat, dass er den Abstand zu der Szene brauchte. Er hat keinen illegalen Substanzgebrauch mehr, sogar das Rauchen hat er aufgegeben. Stattdessen hat er trotz Corona eine Ausbildungsstelle gefunden. Noch heute stehen wir in immer größer werdenden Abständen in Kontakt. Ob telefonisch oder persönlich.

Nach einer finanziellen Starthilfe von der Fernsehlotterie muss dieses wichtige Projekt seit Jahren ohne Regelfinanzierung auskommen. Nur mithilfe von Spenden können wir unsere Arbeit fortsetzen und Menschen auffangen, die ansonsten keine Hilfe erhalten. Helfen Sie uns, um dieses für die Gesundheitsvorsorge und Lebensperspektive zahlreicher junger Menschen grundlegende Projekt erhalten zu können. Spenden Sie hier.

 

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